Die Stellung der Religionsphilosophie zur Philosophie und Religion
Verhältnis der Philosophie zur Religion überhaupt
Verhältnis der Religionsphilosophie zum System der Philosophie
- Das Absolute in der neueren Philosophie ist noch nicht gleichbedeutendmit dem, was wir Gott nennen.- Um die Verschiedenheit zu erkennen, muss gefragt werden, was Bedeutung selbst bedeutet. Die Frage nach der Bedeutung der Bedeutung ist die Frage nach zwei Entgegengesetzten. (1) Frage nach dem Innern, dem Zweck, dem allgemeinen Gedanken in Etwas hinter der Vorstellung des Etwas. Der Begriff von Etwas ist die Bedeutung, das Absolute, das logische Wissen Gottes. Hierin ist das Absolute gleichbedeutendmit dem Ausdruck Gott (2) Die Frage geht aber auch auf das Entgegengesetzte, nämlich auf die Vorstellung, die ‚hinter’ der Gedankenbestimmung liegt. Es wird ein Beispiel des Inhalts, der in (1) nur im Gedanken war, gefordert.- Mit der Frage (1) hat die Religionsphilosophie die logische Idee der Philosophie gemein. Die logische Idee ist Gott wie er an sich ist. Das Wesen hält sich im Gedanken. Es ist Gott ‚vor’ seiner Realisierung.- Mit der Frage (2) wird Gott auch als Geist, in seiner Erscheinung und Gegenständlichkeit betrachtet. Hier ist das erscheinende Wesen angesprochen, das Wesen, das sich Gegenständlichkeit gibt: die Manifestation oder das Dasein Gottes in der Gegenständlichkeit des Bewusstseins und Selbstbewusstseins der Religion. - Die Religionsphilosophie enthält somit beides: die Weise der Vorstellung Gottes inihrer Gegenständlichkeit als auch seinen reinen Begriff. In der Religionsphilosophie wird das Absolute oder Gott in der Form des reinen oder logischen Gedankens als auch in der Form seiner Manifestation betrachtet. Damit entspricht die Religionsphilosophie der Phänomenologie des Geistes, in der sie ein Moment ist: der Geist als Gegenständlichkeit des Selbstbewusstseins entwickelt sich gemäss dem ihm inhärenten Begriff oder Gedanke, denn die Gegenständlichkeit des Bewusstseins selbst ist der Begriff noch in seiner Trennung von Form und Inhalt. Die Aufhebung dieser Trennung ist die Philosophie als Wissenschaft des logischen Begriffs, der nur in der Manifestation des Geistes erkannt wird, in der er immer schon enthalten ist, und der sich als Ganzes, als absolute Idee, selbst notwendig manifestieren, tätig werden muss in Natur und Geist. Dieser ewige Kreislauf allein ist das Absolute oder Gott. Das Absolute ist nur als Weg des Absoluten zu fassen und: „Der Geist, der nicht erscheint, ist nicht.“ Gott, der nicht erscheint, ist nicht. Das Ding an sich, das nicht erscheint, ist nicht oder ist ein Unding des Verstandes. - Gott ist das Resultat der andern Teile der Philosophie und in der Religionsphilosophie zum Anfang gemacht, zu unserem Gegenstand „als schlechthin konkrete Idee mit ihrer unendlichen Erscheinung, - und diese Bestimmung betrifft den Inhalt der Religionsphilosophie“, den wir in der Form der denkenden Vernunft betrachten. Damit aber bleibt noch zu betrachten die Stellung der Religionsphilosophie zur Religion wie sie sich als positive Lehre zeigt. Liegt diese ausserhalb des Gedankens und ihrer Erscheinung, ausserhalb des Geistes? Verhältnis der Religionsphilosophie zur positiven Lehre der Religion (Kirche) - In der protestantischen Kirche ist die Bibel die wesentliche Grundlage der Lehre.- In dieser Lehre hat sich nun das Räsonnement geltend gemacht, d.h. der Verstand hat seine Kategorien a priori in die Erklärung der Lehre hinein genommen. Wo zuerst nur der Geist den Inhalt auffasst, setzen sich „Bestimmungen, Grundsätze, Voraussetzungen“ des räsonnierenden Gedankens fest. Dadurch entsteht eineVernunfttheologie, die sich dem Lehrbegriff der Kirche entgegengestellt. Man bleibt nicht beim ursprünglichen Sinn der Lehre stehen, sondern die Erklärungen erzeugen neue Gedanken, die den Inhalt verändern: es ändert sich nicht nur die Form des Bewusstseins, sondern auch sein Gegenstand, dessen Sinn und Massstab (Methode in der Phänomenologie des Geistes). - Die Erkenntnis in der Aufklärung fasst das Unendliche auf endliche Weise „als ein Bestimmtes, als ein abstraktes Unendliches“ und schliesst daraus richtig, dass alle besondern Eigenschaften diesem Unendlichen unangemessen sind. Damit zerstört sie jedoch die Bestimmtheit der Religion als geistiges Phänomen. Gott ist arm, hohl und leer gemacht.- Die Religionsphilosophie darf jedoch nicht dieser Vernunfttheologie oder Verstandesmetaphysik gleichgesetzt werden. Sie befindet sich nicht im selben Gegensatz zum Inhalt der Religion, in dem die frühere Beziehung des wirklichen Subjekts zu Gott nun abgesondert für sich steht und ein besonderer Standpunkt der Moral als eigene Wissenschaft dem nur Endlichen gegenüber tritt.- „Hingegen die denkende Vernunft, die sich nicht mehr abstrakt hält, sondern vom Glauben des Menschen an die Würde seines Geistes ausgeht und vom Mut der Wahrheit und Freiheit getrieben wird, fasst die Wahrheit als ein Konkretes, als Fülle von Inhalt, als Idealität, in welcher die Bestimmtheit, das Endliche als Moment enthalten ist.“- In der Religionsphilosophie als denkende Vernunft wird Gott als Geist aufgefasst und damit wesentlich als der Dreieinige, d.h. als die Einheit von drei Momenten, wobei das letzte Moment die ersten beiden in sich aufgehoben enthält: „So wird Gott gefasst, wie er sich zum Gegenstande seiner selbst macht und dann der Gegenstand in dieser Unterscheidung seiner mit Gott identisch bleibt, Gott sich darin selbst liebt.“ Gott ist nur Geist in seiner Dreieinigkeit, ansonst ist er leer.- Das Wesen oder der Begriff des Geistes ist somit in der Lehre der Religion enthalten, so dass beide sich nicht entgegenstehen. - Die Religionsphilosophie steht mit dem räsonnierenden Verstand und seinen fixen Voraussetzungen von endlichen Kategorien nicht auf gemeinsamem Boden, da diese vom Verstand nicht einer Kritik unterzogen werden. Kritik aber ist nicht einfach Auslösung der endlichen Kategorien, sondern ihre Aufhebung in angemesseneren Kategorien, d.h. sie führt „sein Reflektieren auf den Grund zurück, d.h. zum Affirmativen, worin es zugrunde geht, und komm(t) doch zu einem Inhalte, zu einer Erkenntnis der Natur Gottes, nachdem aller Inhalt bereits aufgehoben zu sein schien“. - Die Vernunfttheologie oder Verstandesmetaphysik ihrerseits bestreitet die Legitimität der Religionsphilosophie als vernünftige Betrachtung der Religion, da sie „bei ihren eigenen regellosen, willkürlichen Reflexionen, welche die Philosophie nicht gelten lässt“ stehen bleibt und damit die Möglichkeit des Erkennens der Natur Gottes leugnet. Für sie ist Philosophie etwas Gespensterhaftes. - Die Religionsphilosophie steht somit der Lehre der Kirche, der positiven Religion, viel näher als die Verstandesmetaphysik, weil sie ihren geistigen Inhalt bewahrt. Denn es gibt nicht zweierlei Vernunft und zweierlei Geist, nicht einen göttlichen und einen menschlichen Geist. Die menschliche Vernunft als Bewusstsein des Wesens des Geistes „ist Vernunft überhaupt, das Göttliche im Menschen“. Die Religion und ihre Gestaltungen können daher nicht ausserhalb dieser Vernunft liegen, und die im Denken vollbrachte Ausbildung der Vernunft in der Philosophie und Religionsphilosophie können „nicht von seinem Werk [des Geistes], das er in der Religion hervorgebracht hat, schlechthin verschieden sein“. - Um nicht in jenen fruchtlosen Gegensatz von Denken und Sein der Verstandesmetaphysik zu fallen, muss „der Mensch im vernünftigen Denken die Sache selbst in sich walten lassen, auf seine Partikularität Verzicht leiste(n), sich als allgemeines Bewusstsein verhalt(en)“, sich als geistiger Maulwurf erweisen.- Die Kirche und Theologie können diesen Sukkurs der Philosophie, der Vernunft verschmähen, jedoch selber nicht den Zweispalt zwischen reflektierender Erkenntnis und Glauben aufheben. Der Wunsch oder die Notwendigkeit einer solchen Aufhebung und Versöhnung fordert das Recht der philosophischen Einsicht und Erkenntnis.- Die heutigen Zeitprinzipien des religiösen und philosophischen Bewusstseins stehen der Religionsphilosophie feindlich gegenüber. Es sind der Standpunkt der Verstandesmetaphysik, der den Zwiespalt hervorgebracht hat und belässt sowie der daraus hervorgegangene Standpunkt des Gefühls, das sich in die Innerlichkeit zurückgezogen hat, „aber mit jener Metaphysik in dem Resultat übereinstimmt, dass jede Bestimmung dem ewigen Inhalt – denn er ist ja nur ein Abstraktum – unangemessen sei“.- Jedoch sind diese beiden scheinbar gegnerischen Standpunkte in der Philosophie als solcher und in der Religionsphilosophie im besondern aufgehoben, so dass sie an sich schon das Prinzip und den Standpunkt der philosophischen Erkenntnis besitzen. Sie sind deshalb „das geschichtliche Element, aus welchem heraus das vollendete philosophische Denken sich gestaltet hat“ und deshalb diese Standpunkte selber als Momente enthält und ihrem unfruchtbaren Gegensatz entzieht. Auf diese Weise kann das philosophische Denken das Absolute denken, ohne in neue einseitige Abstraktionen zu fallen. Fortsetzung